Im Oktober letzten Jahres, habe ich auf meinem E-Reader zufällig Bücher von Karl May gefunden. Aus Jux und Tollerei habe ich dann das Buch gelesen, welches am nächsten an meinem aktuellen Standort spielt: Am Rio de la Plata aus dem Jahr 1889, in dem sich der Hauptcharakter Charley von Montevideo aus mit einer Gruppe “Yerbateros” (Teesammlern) Richtung Gran Chaco aufmacht, um nach einem mysteriösen Inka-Schatz zu suchen.
Letzten Monat bin ich selbst zum Río de la Plata gereist und habe meine ganz eigenen realen Abenteuer erlebt.
Zwischen meiner Ankunft aus dem Pantanal und meiner Abfahrt Richtung Süden lagen nur ein paar turbulente Tage gefüllt mit Rechnungen bezahlen, umpacken, Mitbringsel und Proviant besorgen, Freunde mal kurz zwischendurch sehen und von einer YfU Praktikantin Abschied nehmen. Während mein letzter Blogbeitrag am Morgen des zweiten Junis online ging, stand ich schon im Busbahnhof von Asunción und kaufte etwas planlos mein Ticket für die Rückfahrt, 23. Juni um 15:00 vom Tietê Terminal in São Paulo.
Zuerst stand die 21-stündige Busreise nach Buenos Aires an. Den Anfang dieser Reise kannte ich schon, denn man fährt kontinuierlich auf der Ruta 1, die von Asunción über Paraguari, San Ignacio und der Hauptstadt der Chipa Coronel Bogado , in der man fantastische warme Chipa von Verkäufern im Bus erwerben kann, bis nach Encarnación, wo ich Anfang des Jahres meinen Geburtstag feierte. Dort befindet sich der Grenzübergang nach Posadas in Argentinien, welche auf der anderen Seite des Río Paranás liegt. Wir passierten die Puente Internacional San Roque Gonzáles de Santa Cruz romantisch bei Sonnenuntergang.
Nachdem wir die Entäuschung verkraftet hatten, dass man in Argentinien keinen Stempel in seinen Reisepass bekommt, wurde uns schon das Abendessen im Bus serviert. Wir versuchten früh schlafen zu gehen, damit wir Buenos Aires etwas mehr als weniger ausgeschlafen erreichen würden. Obwohl ich eines meiner Hilfsmittel für guten Schlaf im Bus – mein Nackenkissen zuhause vergessen hatte, klappte das nur mit Schlafmaske ganz gut.
In den frühen Morgenstunden näherten wir uns Buenos Aires mehr und mehr uns stiegen schließlich um ungefähr 7:00 Ortszeit im Retiro Terminal aus und wurden von einer klirrenden Kälte begrüßt, wie ich sie seit anderthalb Jahren nicht mehr gespürt habe.
Nach einem mittelmäßigen Tee am Terminal, machten wir uns auf dem Weg zu unserem Hostel, wo wir aufgrund eines kleines Buchungsfehlers meinerseits schon einchecken konnten. Den Rest des Tages erkundeten wir die Viertel Palermo und Recoleta zu Fuß, um schon mal einen Eindruck unseres temporären Wohnortes zu bekommen.



Am nächsten Morgen kamen Hanna und Papa in Buenos Aires an und es gab ein großes Wiedersehen. Während Olivia und ich weiter im Hostel blieben, haben die beiden in einem Apartment in fußläufiger Distanz gewohnt, sodass wir tagsüber zu viert die Stadt kennenlernen konnten und Olivia und ich unser Abendprogramm alleine gestalteten, während die anderen gegen ihren Jetlag ankämpften.
Gemeinsam besichtigten wir den Plaza de Mayo, das Viertel San Telmo, den Caminito, das Museo de Arte Latinoamericano Buenos Aires und das Reserva Ecológica Costanera Sur. Dieses liegt vor dem Puerto Madero in der Sumpflandschaft des Ufers des Río de la Plata und beherbergt diverse Vogel- und Tierspezies. Zusätzlich erhält man einen von Pampagräsern gerahmten Blick auf die Wolkenkratzer im Stadtzentrum.



Mir hat Buenos Aires gut gefallen, gerade in unserem Viertel Palermo habe ich mich zwischen coolen Läden, guten Restaurants und hippen Bars sehr wohl gefühlt. Zum Botanischen Garten, sowie dem sogenannten Ecoparque konnte man zu Fuß laufen.
Der Ecoparque in Buenos Aires war eines meiner persönlichen Highlights. Der frühere Zoo von Buenos Aires wurde vor ein paar Jahren umkonzipiert und bildet heute ein Zentrum für Umweltbildung und Artenschutz. Viele der Tiere, die dort einst ausgestellt waren, wurden wieder ausgewildert oder in besser geeignete Einrichtungen gebracht. Es verbleiben einige Arten, die nicht transportiert werden können oder ihre Lebenserwartung schon überschritten haben. Außerdem leben unter anderem Flachlandtapire und Andenkondore im Rahmen von Rehabilitations- und Ansiedlungsprojekten im Ecoparque . Beim Besuch des Ecoparques liegt der Fokus nicht auf der Unterhaltung der Besucher, sondern auf dem Wohl der Tiere. Das bedeutet man hat keine Garantie viele der vorhanden Tiere zu sehen, häufig sind die Scheiben abgedunkelt und Wege so abgesperrt, dass man mehr Abstand zu den Gehegen hält. Gleichzeitig gibt es auch Tiere, die frei im Park herumsträunern, zum Beispiel Pfaue, Chajás oder Maras (Dolichotis patagonum), welche mich sehr an die Tapiti bolis (Dolichotis salinicola) aus dem Chaco erinnert haben. Außerdem kann man die großen Tiere wie Giraffen oder Elefanten nicht übersehen. Die Fahrzeuge des Parks werden übrigens mit Strom aus einer Biogasanlage betrieben, die dafür den Kot der Elefanten nutzt.
Das Beste zum Schluss: Der Eintritt für den Ecoparque ist kostenlos.


Den Rest der Stadt konnte man unkompliziert mit Subte (U-Bahn) und Bus erreichen. Dafür muss man sich eine SUBE-Karte zum Beispiel an einem Kiosk besorgen und diese dann dort oder an einer U-Bahn-Station mit Bargeld aufladen. Da die wirtschaftliche Lage Argentiniens momentan etwas drunter und drüber ist, war es gar nicht so leicht an Bargeld zu kommen, aber Dollar oder Euro kann man gewinnbringend umtauschen, wobei sich der Kurs und somit die Preise ständig ändern. Hat man das erst einmal geschafft kann man Bus und Bahn problemlos mit der SUBE-Karte nutzen und sich diese auch teilen, wenn man zusammen unterwegs ist. Eine Fahrt mit der Subte kostet 60ct, der Bus noch weniger, wobei es hier auf die Länge der Strecke ankommt.
Das Wetter in Argentinien hat sich zum Glück über die Woche ein wenig gemäßigt, sodass ich es wie einen schönen, sonnigen, aber frischen Herbst empfunden habe. Ich war ganz gut ausgestattet mit meinen Halstüchern, einer mitgebrachten Mütze und einer Skijacke aus Deutschland. Durch diesen Wetterumschwung, die Ankunft von Hanna und Papa und die dortige Architektur hat sich die Woche in Buenos Aires mehr wie eine Reise in Europa angefühlt.






Unsere Reise führte weiter nach Uruguay. Dafür nahmen wir eine Fähre die von Buenos Aires über den Río de la Plata zu dem gegenüberliegenden Colonia del Sacramento fährt. Nachmittags besichtigten wir die Altstadt Colonias, welche 1995 als Weltkulturerbe erklärt wurde. Danach fuhren wir mit dem Bus weiter nach Montevideo.



In Uruguay haben wir nur ein paar Tage verbracht, diese aber ausgiebig genutzt. Ein Grund für unsere Reise dorthin war, dass mein Vater und ich Verwandte haben, die in Montevideo und Colonia leben. Die Cousine meiner Oma wohnt mit ihrem Mann seit langer Zeit in Uruguay und so auch ihre Kinder und Enkelkinder, von denen wir ein paar kennenlernen konnten.



Einer der Großcousins meines Vaters hat unser Programm übernommen und uns erst eine Altstadtführung gegeben und dann mit uns einen Ausflug nach Punta del Este gemacht. Mit uruguayischem Vogelführer und Ferngläsern ausgestattet, fuhren wir entlang des Río de la Platas bis zur uruguayischen Atlantikküste. Auf dem Weg hielten wir ein paar Mal an, um Ausschau nach Walen zu halten. Stattdessen entdeckten wir kleine Magellanpinguine (Spheniscus magellanicus) im Wasser. Im Hafen von Punta del Este tummeln sich außerdem riesige Seelöwen, die nur darauf warten etwas von den Abfällen der Fischer abzubekommen.


Während Punta im Sommer bei uruguayischen und internationalen Urlaubern als beliebter Badeort bekannt ist, lud das Wetter bei unserem Besuch nicht zum Schwimmen ein. Wir trafen nur ein paar Surfer in Neoprenanzügen.

Am Tag darauf flogen wir (jetzt nur noch zu dritt) nach Norden und damit zurück in den Sommer. Ich verbrachte meinen zweiten Aufenthalt in Rio de Janeiro vor allem ausgeschlafen, gesättigt von gutem Essen und am Strand.




In Rio besuchten wir zudem Freunde von Hanna, die mit uns gemeinsam den Zuckerhut besichtigten und uns ausgiebig mit Tipps für Essen, Kultur und Architektur ausstatteten. Unter anderem empfahlen sie uns den wunderschönen Sítio Burle Marx im Westen Rios zu besuchen.
Roberto Burle-Marx war ein brasilianischer Landschaftsarchitekt, der unter anderem die berühmte Strandpromenade der Copacabana entwarf. Um tropische Pflanzen aus aller Welt, aber vor allem aus Brasilien selbst zu kultivieren, kaufte er 1949 gemeinsam mit seinem Bruder den Sítio Santo Antônio da Bica und nutzte diesen als “Landschafts-Labor”. Der Sítio und seine außergewöhnliche Fruchtbarkeit begeisterten ihn so sehr, dass er für die letzten zwei Jahrzehnte seines Lebens dort hinzog.
Heute kann man die Gärten, Teiche und Gebäude des Grundstücks, die allesamt zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören, in einer Führung für zehn Reais (zwei Euro) besichtigen. Man geht zunächst durch Schattengärten am Fuße des Hangs, dann aufwärts vorbei an Monsteras, Açai-Bäumen und vielem mehr bis zu einer kleinen Kappelle und dem ehemaligen Haus von Burle-Marx, in und um dem man Kunst und Architektur bewundern kann. Zum Abschluss läuft man auf einem steilen Steinweg durch Gräser und Farne den Hang wieder hinab. Das gesamte Gelände ist darauf ausgelegt, den Pflanzen die jeweils bestmöglichen Bedingungen zu schaffen und das Wasser aus einer Quelle oben durch die Gärten zu den Mangroven unten zu leiten.




Nach einer wunderbaren und entspannten Woche in Rio musste ich wieder von Hanna und Papa Abschied nehmen, wenn auch nur für sieben Wochen. Damit begann der letzte Teil meiner Reise, den ich alleine bestritt: Ein Wochenende alleine in São Paulo.
São Paulo ist mit über zwölf Millionen Einwohnern (21 Millionen in der Metropolregion) die größte Stadt Südamerikas und eine der größten Städte der Welt. Zuerst war es für mich gar nicht so einfach mich in dieser riesigen Stadt zurechtzufinden. Die Metro funktioniert gut und ist sicher, man erreicht damit aber nicht alle Gegenden. Als Alternative habe ich oft Uber genutzt. Wenn man den Preis zu zweit oder zu dritt aufteilt, ist es oft nicht viel teuer als die Metro.
Auch wenn mich die Stadt und ihre Größe am Anfang etwas eingeschüchtert hat, gefiel mir São Paulo ziemlich gut. Das kulinarische Angebot im japanischen Viertel, die Streetart in Vila Madalena und der Parque Ibirapuera, der auch zu den Werken von Burle-Marx gehört, haben mich besonders begeistert. Es gibt einfach viel zu viel zu entdecken und drei Tage sind für eine Stadt wie São Paulo bei weitem nicht genug.



Mein Abreisedatum hatte ich jedoch schon drei Wochen zuvor am Terminal in Asunción festgelegt und da nur ein mal pro Woche ein Bus von Rio und São Paulo nach Paraguay durchfährt, nahm ich wie geplant am 23. Juni um 15:00 den Bus vom Tietê Terminal und fuhr angenehme 19 Stunden nachhause. Wie beim letzten Mal gab es leckere Chipa in Caaguazú, die meine Vorfreude auf das Ankommen in Paraguay nur steigerte.
Obwohl ich auf meinen Reisen nicht auf Inka-Schätze gestoßen bin, habe ich in den letzten Wochen einiges an Abwechslung und Abenteuer erlebt. Diesem Monat bin ich einem wortwörtlichen Wegbegleiter besonders dankbar.
Im Sommer 2020 als jegliche Reisepläne kritisch hinterfragt werden mussten, entschieden sich Hanna, Papa und ich zu einer abgelegenen Hütte am Walensee in der Schweiz zu fahren. Abgesehen davon, dass ich in diesem Urlaub zwischen den wunderschönsten Wiesen, Wasserfällen und Bergseen entspannen konnte, brachte er auch meine heißgeliebten Wanderschuhe in mein Leben.
Ich gebe zu, dass sie nicht das modischste Schuhwerk darstellen, aber punkten dafür damit, dass sie perfekt passen, immer gemütlich sind und ich stundenlang mit ihnen herumlaufen kann, ohne jemals Blasen zu bekommen. Bei Kälte halten sie meine Füße besser warm als alle anderen Schuhe, die ich aktuell besitze. Außerdem haben sie sich bereits vier Jahre gut gehalten. Vier Jahre, in denen ich mit ihnen englische Städte erkundet habe, sie mich beim Wandern, Skifahren, schlechtem Wetter, sowie an langen Reisetagen durch Europa begleitet haben und in paraguayischen Naturschutzreservaten zum Einsatz gekommen sind.
Gepaart mit Flip Flops, die auch absolut essentiell sind, bilden sie meine perfekte Reservatsschuhkombination. Im September habe ich mir noch ein zweites Paar Wanderschuhe gekauft, die vor allem bei den Überschwemmungen im Sommer ihren Nutzen bewiesen haben. Trotzdem tendiere ich immer zu meinen alten Wanderschuhen. Ich hoffe auf noch mindestens vier weitere Jahre mit meinen Lieblingsschuhen.


Es beginnen nun offiziell die letzten fünf Wochen meines Freiwilligendienstes. Nächste Woche muss ich mich schon von Olivia verabschieden, da ihr Programm einen Monat vor meinem endet. Es fühlt sich komisch an, jetzt schon mit ihr diesen Abschiedsprozess durchzumachen, aber selber noch länger hier zu bleiben. Gerade jetzt bei Sommer und Fußball-EM klingt Deutschland schon verlockend. Ich hoffe ihr genießt es alle für mich mit.
Ich fahre dafür nächstes Wochenende auf meine End-of-Year-Orientation und freue mich darauf alle meine YfU-Freiwillligen wieder zu sehen. Danach heißt es nur noch diese einzigartige Paraguay- und Südamerika-Erfahrung ausklingen zu lassen.


