Am 16. Oktober war es endlich so weit und ich konnte zum ersten Mal in eines der Reservate meiner Einsatzstelle Guyra fahren. Guyra ist eine Naturschutzorganisation aus Paraguay, die ursprünglich auf den Schutz von Vögeln fokussiert war, sich mittlerweile aber allgemein für Nachhaltigkeit und den Schutz von Biodiversität in Paraguay einsetzt. Dazu haben sie mehrere private Reservate an verschiedenen Orten in Paraguay. Die letzten drei Wochen verbrachte ich im Reserva Natural Cañada el Carmen des Chaco Seco kurz vor der bolivianischen Grenze.

Die Fahrt zum Reservat habe ich in einem Reisebus nach Santa Cruz zurückgelegt. Dieser fährt auf dem Weg nach Bolivien quasi am Eingang zum Reservat vorbei. Die Reise dauert eigentlich ca. 12 Stunden von 20 Uhr bis acht Uhr morgens, aber da mein Bus um drei Uhr nachts irgendwo mitten im Chaco liegengeblieben ist und wir auf einen Ersatzbus warten mussten, kam ich ein paar Stunden später an. Zwischendurch hielt der Bus beim Zoll, wo dann Pass und Gepäck jeder Person auch mithilfe von Drogenspürhunden kontrolliert wurden. Danach hat es noch ungefähr zwei Stunden gedauert, bis ich völlig übermüdet und geblendet von der Sonne ausstieg und von der Parkrangerin Doris begrüßt wurde. Sie packte mein Gepäck auf ein ‚cuasi‘ (Quad) und mit eben diesem fuhren wir dann circa einen Kilometer zwischen Palmen und Sträuchern über den zerfahrenen Camino Interno bis zum Haus.

In den ersten Tagen im Reservat habe ich vor allem viel beobachtet. Die momentan noch ziemlich graue Landschaft hat mich zunächst an den „Wilden Westen“ erinnert. Rundherum springen kleine Tapiti bolis, stolzieren die Sarías und man hört den Ruf der Charatas. Manchmal sieht man Füchse (Aguara cha’i oder Aguara’i), Rehe (Guasu vira) oder Wildkatzen (Jaguarundi oder Tirika) an den Wasserstellen trinken. Dadurch, dass es in dieser Gegend und zu dieser Jahreszeit so trocken ist, kann man viele Tiere insbesondere nachts an den zwei ‚aguadas‘ vor und hinter dem Haus sehen. An der aguada trasera haben wir einmal sogar frische Pumaspuren entdeckt. Als ich Anfang November die Bilder der Kamerafallen ausgewertet habe, konnte man dort außerdem Ameisenbäre (Jurumi), Tapire, Hasen (Tapiti) und einen Puma sehen. Einen Jaguar (Jaguarete) habe ich leider noch nicht entdeckt. Abgesehen von den Säugetieren, gibt es unfassbar viele verschiede Vögel in jeglicher Größe und Farbe.

Jeden Dienstag und Donnerstag wird eine Liste von 15 Vögeln, die man hört oder sieht, (Lista Mackinnon) angefertigt. Dabei läuft man einen der vier Wege des Reservats ab. Es gibt den bereits erwähnten Camino Interno zur Straße, den Sendero Guayacan, der mehr oder weniger parallel zur Straße Richtung Bolivien verläuft, den Sendero Tagua, welcher noch nicht öffentlich zugänglich ist und bei welchem extra Schlangenschutz nötig ist und den Sendero Picada Histórica, welcher zur Zeit des Chaco-Krieges in den 1930er-Jahren entstanden ist und daher seinen Namen trägt. Im November 1934 hat in der Gegend des Reservats die Schlacht „Batalla de El Carmen“ stattgefunden. Es gibt eine historische Stätte, die an die Schlacht erinnert, dort kann man immer noch Patronenhülsen und andere Überbleibsel aus dem Krieg finden. Zu anderen Jahreszeiten ist hier alles geflutet, wodurch sich die Vegetation die ehemaligen Kriegstätten zurückerobert hat.

Ich habe die Arbeit der Parkranger begleitet und bei allen ihren Aktivitäten mitgeholfen. Ihre grundsätzliche Aufgabe ist die Instandhaltung des Reservats, das heißt von Beschilderungen anfertigen und aufstellen über Haus und Wege sauber halten, bis Datenverarbeitung ist alles dabei. Die Arbeit und Arbeitszeiten werden jeweils an den Tag und insbesondere an das Wetter angepasst. In den drei Wochen, in denen ich dort war, gab es Temperaturen von 15 Grad, sowie 45 Grad an anderen Tagen. An den heißen Tagen fängt man früher an mit der Arbeit und verbringt den Mittag und Nachmittag mit Tereré oder in der Hängematte. Ich habe meine Freizeit dort vor allem mit lesen verbracht und mein steinaltes Kindle dabei wieder nützlich gemacht. Jetzt fresse ich mich durch alle möglichen urheberrechtsfreien Büchern, die in dessen Shop kostenlos erhältlich sind.

Wlan und Strom gibt es theoretisch, praktisch funktioniert aber beides nur sehr unregelmäßig. Allgemein musste ich mich an das Limit von Ressourcen gewöhnen: „Trinkwasser wird erst am Donnerstag wieder geliefert, davor müssen wir rationieren.“ oder „Wir haben nicht mehr genug Benzin, deswegen wird der Weg jetzt gelaufen.“ Des weiteren habe ich gemerkt, wie meine Toleranz für Viecher aller Art, die sich mit mir das Zimmer teilen wollten, gestiegen ist. Spinnen in (für mich) enormen Größen, habe ich selber erfolgreich wieder in die Natur befördert. Ansonsten hatte ich dank der Jahreszeit mehr mit nervigen Fliegen, als mit Mücken zu kämpfen und insgesamt war alles noch echt machbar.

Man kann in Cañada el Carmen auch als Besucher Zeit verbringen, entweder im Besucherzimmer, wo ich jetzt auch gewohnt habe oder mit Zelt/Wohnwagen campen. Also falls jemand von euch mal hier in der Gegend unterwegs sein sollte oder sogar mich besuchen möchte, könntet ihr hier Einblick in einen ziemlich einzigartigen Ort bekommen – den Gran Chaco.

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