Sechshundert Kilometer lang fließt der Río Paraguay den Gran Pantanal und speist die niedrig liegende Sumpflandschaft des größten Feuchtgebiets der Welt. Die Feuchtsavanne erstreckt sich über 230.000 Kilometer in Brasilien, Bolivien und einem kleinen Zipfel in Paraguay. Im Pantanal Paraguayo besitzt mein Projekt eine Fläche von 14.600 Hektar, die von der Estación Biológica Los Tres Gigantes beobachtet und aufrechterhalten wird.

Um zur Station zu gelangen fährt man zunächst weit in den Nordosten Paraguays, nach Bahía Negra. Der kleine Ort besteht aus ein paar staubigen Sandstraßen über die die Bewohner mit ihren Motos düsen, während herrenlose Pferde entspannt nebenher trotten. Es gibt ein paar schlecht bestückte Läden, denn durch seine abgeschiedene Lage, leidet Bahía unter Lieferengpässen. Der Landweg ist knapp 200 Kilometer nicht asphaltiert und somit zur Regenzeit nicht befahrbar. Einmal die Woche fliegt ein Militärflugzeug aus und nach Asunción, aber auch dieses kann bei Regen nicht landen. Jahrzehntelang wurde Bahía Negra vom Boot “Aquidabán” oder auch ‘mercado flotante’ aus Concepción beliefert. Das Boot fährt seit Dezember letzten Jahren aus finanziellen Gründen nicht mehr, wodurch die Bewohner Bahía Negras mit Knappheit von Obst, Gemüse und anderen Lebensmitteln umgehen müssen.

Mir sind in Bahía Negra vor allem die Menschen und ihre Gastfreundschaft aufgefallen. Ich habe mich überall direkt willkommen geheißen gefühlt. Alles ist sehr familiär und jeder kennt jeden. Erwachsene, Kinder und Tiere leben eng beieinander, doch gehen stets liebevoll miteinander um. Gesprochen wird vorwiegend auf Guarani, mit ein paar spanischen Wörtern zwischendurch. Die Mischung aus Guarani und Spanisch nennt sich Jopara (Mischung auf Guarani). Über den Río Paraguay blickt man auf den brasilianischen Teil des Pantanals. Manchmal kann man dort Waldbrände sehen oder sogar hören und riechen.

Ein paar Kilometer südlich von Bahía Negra liegt Puerto Diana, ein Dorf der indigenen Gemeinde Ishir, mit denen Guyra Paraguay zusammenarbeitet, um ein REDD+ Projekt umzusetzen. Es geht um ein Grundstück samt Förderung, das in ein paar Jahren komplett an die Ishir übergehen soll. Ich durfte ein paar Kollegen aus dem Büro zu ihrem Meeting mit den Vertretern der einzelnen Gemeinden begleiten, in dem die Fortführung des Projekts besprochen wurde. Fun Fact: Der Fussballverein Club Puerto Diana schaffte es 2019 als erstes indigenes Team sich für den Copa Paraguay zu qualifizieren. Ich verlinke euch hier eine Podcast-Folge, in der man nach hören kann, wie die Spieler sich mit gespendeten Schuhen und Trikots mit dem Boot auf den Weg nach Asunción machten.

Um von Bahía Negra die Station zu erreichen, fährt man mit einem kleinen Motorboot den Río Paraguay hoch bis zur Dreiländergrenze mit Bolivien und Brasilien. Dort hält man sich links und fährt auf dem ruhigen Río Negro, der dort die Grenze zu Bolivien bildet, noch eine gute halbe Stunde bis man in Tres Gigantes ankommt. Vom Ufer aus wird man von Garza Moras (Cocoireiher) und Garza Blancas (Silberreiher) skeptisch beäugt. Kormorane schießen über das fast spiegelglatte Wasser und manchmal bekommt man sogar einen Tukan zu Gesicht. Der Zugang zur Station war lange abhängig vom Wasserstand des Flusses. Außerdem schwimmen auf dem Río Negro Wasserpflanzen, die die Durchfahrt erschweren können und dem Fluss jeden Tag einen neuen Anblick verleihen. Mittlerweile gibt es auch einen Landweg, der den Zugang zur Station zu allen Jahreszeiten sichern soll.

Die Station selbst liegt sehr malerisch an einer Kurve des Río Negros, über der man abends den Sonnenuntergang zwischen den Palmen bestaunen kann.

Das Reservat besitzt drei Senderos (Pfade), welche die Namen der drei Giganten tragen, die im Pantanal leben. Der Sendero Jurumi ist benannt nach dem Oso Hormiguero Gigante (großer Ameisenbär). Er ist der längste Sendero und führt als einziger nördlich entlang des Flusses. Die Vegetation dieser Zone besteht vor allem aus Karanda’y (Palmen). Oben in den Kronen sieht man manchmal Kuatĩs (Nasenbären) oder Karajas (Brüllaffen). Die Stämme der Palmen sind zwar schwarz verkohlt, sie selbst sind an Waldbrände angepasst, sodass diese ihnen wenig anhaben können. Waldbrände sind Teil des natürlichen Zyklus des Pantanals und kommen jährlich vor allem in der Trockenzeit im August und September vor. In den letzten Jahren gab es leider oft Berichte über die Gefährdung des Pantanals durch Waldbrände außerhalb der gewöhnlichen Zeiten oder in unnatürlich hoher Anzahl, sowie geringen Niederschlag.

Der Sendero Arirai weist auf die Nutrias Gigantes (Riesenotter) hin, die ab und an im Río Negro treiben. Einmal konnte ich eine Gruppe Nutrias ganz nah vom Kayak aus beim Fischen und Schwimmen beobachten. Während es mir beim Staunen komplett die Sprache verschlagen hatte, zischten, pfiffen und knurrten die Otter aufbracht. Ich bin mir gar nicht sicher, ob das die richtigen Wörter sind, um das Geräuschrepertoire der Riesenotter wiederzugeben, da ihre Vokalisierungen mir so ungewöhnlich und unerwartet vorkamen.

Für mich ist eine der großen Erkenntnisse dieses Freiwilligendienst, dass Tiere oft ganz andere Geräusche machen, als ich vorher erwartet hätte, beziehungsweise überhaupt hörbare Laute von sich geben. Auf Fotos hört man nun mal nicht wie ein Jaguar grölt, ein Kaiman brummt oder ein Wildschwein mit seinen Zähnen klackt. Kormorane hören sich übrigens auch sehr komisch an.

Der Sendero Arirai besitzt außerdem einen 13 Meter hohen Mirador (Aussichtsturm) von dem man gut auf die Weidelandschaft hinter dem bolivianischen Flussufer blicken kann. Außerdem führt der Sendero durch die Zona Inundable, die in der Regenzeit überflutet ist und dann mit dem Kayak passiert wird.

Der letzte und kürzeste Sendero heißt Tatú Carreta, wie das Riesengürteltier, das den letzten der drei Giganten des Pantanals bildet. Ehrlicherweise wurde das Armadillo Gigante jedoch noch nie im Reservat gesichtet. Am Ende des Senderos Tatú Carreta steht ebenfalls ein Mirador.

Die Pfade in Tres Gigantes sind im Vergleich zu den Senderos, die ich aus Cañada kenne, deutlich kürzer, aber auch kurviger und verwinkelter, mit Abkürzungen und Ausblicken. Außerdem sind alle Wege sehr sauber und gut gepflegt, was vermutlich daran liegt, dass mindestens ein Sendero pro Woche von Anfang bis Ende gerecht wird. Auch der Bereich um das Haus herum wird wöchentlich mit dem Rechen sauber gehalten.

Ein Wochenarbeitsplan im Pantanal beinhaltet stets die Aufgaben der Überwachung des Reservats: Montags werden die sechs Kamerafallen überprüft und ausgewertet. Mittwochs steht Vogelbeobachtung an und wie in Cañada werden Listen mit 15 Vögeln erstellt. Da die Senderos hier kurz genug sind, werden gleich alle abgelaufen und mindestens eine Liste MacKinnon pro Sendero ausgefüllt. Am Donnerstag verbringt man eine Stunde auf dem Mirador Guasu Puku im Sendero Arirai, um den gleichnamigen Sumpfhirsch oder Ciervo de los Pantanos in Bolivien zu beobachten. Die anderen Tage werden mit Aufgaben, wie das Rechen der Senderos, Gießen des kleinen Gartens, Datenverarbeitung oder der Säuberung des Besucherhauses gefüllt.

Das geräumige ‘Casa de Visitantes’ kann man mit seinen zwei Stockwerken schon gut vom Fluss aus erkennen und bietet Platz für bis zu zwölf Personen, mit drei Schlafzimmern und vier Bädern. Leider stand es durch die Pandemie lange unbenutzt und ist heute das Zuhause vieler Fledermäuse, deren Hinterlassenschaften mindestens einmal wöchentlich entfernt und das Haus komplett gereinigt wird. Momentan ist das Besucherhaus noch geschlossen. Gelegentlich gibt es auch andere Aufgaben, die gerade so anfallen, wie zum Beispiel das Haus der Guardaparques zu streichen oder die Mückennetze auszutauschen.

Der Strom in der Station wird über Solarpanele bezogen und ist dementsprechend limitiert. Das Netz ist schlecht, reicht aber für das nötigste. Perfekte Bedingungen zum Entschleunigen, Abschalten und Natur genießen. Ich habe mit dem Monat Mai im Pantanal einen Zeitpunkt abgepasst, an dem ich weder mit vielen Mücken wie in der Regenzeit noch mit Waldbränden wie in der Trockenzeit konfrontiert war. Stattdessen bot sich ein ganz neues Problem, unter dem ich den ganzen bisherigen Freiwilligendienst fast gar nicht gelitten habe – Kälte. Auf der Südhalbkugel beginnt so langsam der Winter und in einem Haus, das keine Fenster aus Glas sondern aus Mückennetzen besitzt, spürt man das besonders. Wenn die Temperatur draußen 15 Grad beträgt, tut sie das auch drinnen. Um sich bei diesem Wetter zu erfrischen, kann man eine kalte Dusche nehmen, denn Warmwasser gibt es natürlich auch nicht.

Ich habe mich hauptsächlich im Zwiebellook durch das Reservat bewegt. Um meinen Kopf mangels einer Mütze zu wärmen, habe ich eine Kombination aus Kapuzenpulli, Regenjacke und BUFF genutzt. Ein BUFF ist ein Halstuch, dass man für alle möglichen Outdoor-Aktivitäten verwenden kann. Ich habe meins vor ein paar Jahren zum Skifahren erworben, um mein Gesicht und meinen Hals vor dem kalten Wind zu schützen. Vor ein paar Monaten fragte mich eine Kollegin ob ich ein BUFF besitzen würde. Ich musste dann leider feststellen, dass ich mein Wintersportequipment nicht mit ins subtropische Paraguay genommen hatte. Glücklicherweise habe ich im März Besuch bekommen, der mir neben anderen Mitbringseln auch mein BUFF aus Deutschland geliefert hat. Diese Halstücher sind nämlich sehr vielseitig anwendbar. Neben Schutz vor Kälte und Wind, wie ich ihn in den Alpen und im südamerikanischen Winter brauche, hilft ein BUFF auch bei Mosquitos, Sandstaub, Sonne und Fledermauskot. Ob als Halstuch, Gesichtsmaske oder Stirnband, den möglichen Verwendungen sind kein Ende gesetzt. Dazu nimmt es so gut wie keinen Platz weg und gibt somit keinen Grund es nicht einzupacken. Stellt sich mir nur die Frage wieso ich es nicht gleich mitgenommen habe. Diesen Monat war ich unendlich dankbar dafür, dass ich das BUFF dabei hatte. Gerade wenn wir mit dem Boot auf dem Fluss unterwegs waren und ich den kalten Fahrtwind zu spüren bekam, wusste ich an welches Ding ich dieses Mal meine Ode richten werde.

Letzten Mittwoch musste ich mich schon wieder auf den Rückweg nach Asunción begeben. Dieser erfolgte diesmal im vorhin erwähnten Militärflugzeug SETAM (Servicio de Transporte Aéreo Militär), welches jeden Mittwoch von Asunción über Concepción, Fuerte Olimpo und Vallemí nach Bahía Negra fliegt und bis zu 26 Passagiere mitnehmen kann. Es gibt weder Check-In, noch Sicherheitskontrollen, stattdessen wird man vor dem Einstieg ins Flugzeug gewogen. Der Innenraum hat ungefähr die gleiche Größe wie ein Bus in Asunción und auch die Lautstärken der Motoren ähneln sich in ihrem Dröhnen. Nichtsdestotrotz bin ich sicher in der Hauptstadt gelandet.

Ich hatte eine wunderschöne Zeit an diesem sehr besonderen Ort, der sich Estación Los Tres Gigantes nennt. In ein paar Monaten soll das Fledermausproblem gelöst sein und die Station erneut für Besucher geöffnet werden. Ich hoffe, dass dann wieder mehr Menschen die Möglichkeit bekommen den Pantanal Paraguayo in all seiner Schönheit kennenzulernen.

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