Das Land Paraguay wird durch den gleichnamigen Fluss in zwei Zonen aufgeteilt, im Westen liegt der sogenannte Chaco Paraguayo, im Osten die Region Oriental, welche über 97 Prozent der paraguayischen Bevölkerung beherbergt. Während ich über meinen Freiwilligendienst hinweg oft westlich des Rio Paraguays gearbeitet habe, verbrachte ich die letzten Wochen ausschließlich in der Region Oriental.
Nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub musste ich mich von meiner Freundin, Reisebegleiterin und nicht zuletzt auch Arbeitskollegin Olivia verabschieden, da ihr Rückflug schon einen Monat vor meinem lag. Im Büro gab es eine kleine Abschiedsfeier, zu der wir wie schon zur Einweihungsfeier der Bibliothek den Vanillekipferl als Nachtisch beisteuerten. Im Gegensatz zu all den Personen, von denen ich mich sonst in den letzten Monaten verabschiedet habe, weiß ich zumindest in diesem Fall, dass wir uns wiedersehen werden. Trotzdem fühlte es sich komisch an ohne Olivia in Paraguay zu verbleiben.


Direkt nach dem Abschied wurde ich zum Glück bestmöglich abgelenkt, in dem ich mit den anderen YfU-Freiwilligen nach Piribebuy für unsere Orientación de Fin de Año. Abgesehen davon, das die Orientación auf das kälteste Wochenende des Jahres fiel und unsere Unterkunft ausser den Schlafzimmern keine Innenräumen besaß, war es sehr schön und ich habe es sehr genossen mit den Freiwilligen unser vergangenes Jahr zu reflektieren und emotional auf unsere Rückkehr einzustellen. Mir hilft es immer, dass wir auf den Tagungen unsere Erfahrungen miteinander teilen und gemeinsam einordnen. Nach drei Tagen machten wir uns halb erfroren zurück auf den Weg nach Asunción.

Die Landschaft der Region Oriental besteht aus weiten Graslandschaften und Weiden aus denen einzelne Hügel schießen, durchzogen von roten Caminos de Tierra. Früher hat sich der atlantische Regenwald über große Strecken der Region Oriental ausgebreitet, heute verbleiben nur noch einzelne geschützte Flächen. Eine davon ist der Guyra Retã Komplex, das älteste Naturschutzgebiet meines Projektes. Ich durfte dort auf der Estación Biológica Kanguery die vorletzten Wochen meines Freiwilligendienstes verbringen.


Über Nacht fuhr ich nach Encarnación und stieg dort morgens in einen lokalen Bus, der mich in ein kleines Dorf namens Caronay brachte. Von dort holten mich die Ranger ab und es ging nochmal ungefähr anderthalb Stunden im 4×4 über Stock und Stein bis zur Station. Diese liegt an der Grenze zwischen Pastizal (Grasland) und Bosque (Wald) eingebettet in einer weichen Hügellandschaft.




Im Vergleich zu den anderen zwei Reservaten passiert in Kanguery viel mehr. Es arbeiten insgesamt acht Ranger dort, sowie ein Techniker-Team von drei Personen. Diese wohnen aktuell auf zwei Häuser verteilt, bald sollen sie jedoch in ein neues grösseres Haus ziehen, welches noch gebaut wird. Zusätzlich stehen auf dem Gelände ein Besucherhaus, ein extra Toilettenhaus und das Vivero (Gärtnerei).




Ein großer Arbeitsbereich in Kanguery ist die nachhaltige Produktion von Yerba Mate, für die das Techniker-Team zuständig ist. Diese kümmern sich einerseits um tausende Yerba-Setzlinge im Vivero und arbeiten andererseits mit den Gemeinden rund um das Reservat herum zusammen, um diese für die Mate-Produktion anzuwerben und danach dabei zu unterstützen.
Die soziale Arbeit mit den umliegenden Gemeinden ist in Kanguery noch wichtiger, da es in der enger besiedelten Región Oriental mehr Kontakt und damit auch mehr Probleme mit der Bevölkerung gibt. Die Ranger hier beschützen die verbleibenden Flächen des atlantischen Regenwaldes vor den meist von Menschen gelegten Waldbränden und Wilderern. Dafür haben einige von ihnen eine Ausbildung als Bombero Forestal (Feuerwehrmann/frau für Waldbrände). Fast alle besitzen Gewehre zur Selbstverteidigung und haben diesbezüglich an Kursen teilgenommen. In den anderen Reservaten ist das nicht nötig.



Durch die höhere Anzahl an Menschen war immer etwas los, jemand ist einkaufen gefahren, Ranger verließen die Station für ihre freie Woche oder fuhren nach Taguató zu einer anderen Station im Guyra Retã Komplex, ANDE-Arbeiter kamen um Strommasten aufzustellen oder Geburtstage wurden mit Asado gefeiert. Kein Tag verlief so ruhig, wie ich es aus den anderen Reservaten gewohnt war, dafür war die Stimmung umso unterhaltsamer.
Ich habe in verschieden Arbeitsbereichen mitgeholfen wie zum Beispiel bei der Vogelbeobachtung oder in der Gärtnerei. Meine Hauptaufgabe war es Schilder zu bemalen. Dabei habe ich Podcasts gehört und die nahezu perfekten Temperaturen des paraguayischen Spätwinters genossen.


Ehe ich es wusste war es schon wieder Zeit sich zu verabschieden und zu hoffen, dass man sich irgendwann in diesem Leben noch einmal wieder sieht.


Am Wochenende danach habe ich dann noch mein letztes Abenteuer in Südamerika bestritten und bin mit Freunden zum höchsten Punkt Paraguays auf stattliche 842m gewandert und habe dort übernachtet.
Nach diesem Ausflug sind tatsächlich fast alle Punkte auf meiner mentalen Paraguay-Bucket-Liste abgehakt und ein paar Dinge muss man sich ja auch noch für das nächste Mal übrig lassen.


Wenn ich über die vergangenen elfeinhalb Monate nachdenke, spüre ich vor allem Dankbarkeit. Ich bin dankbar für die neuen Fähigkeiten und Interessen, die ich dazugewonnen habe, für die einzigartigen Erfahrungen, die ich machen durfte, für all die wundervollen Menschen, die mich willkommen geheißen haben, aber auch Dankbarkeit dafür, dass ich wieder in mein gewohntes Deutschland zurückkehren darf.
Ich bin auch sehr dankbar, dass ich auf diesem Blog meine Erlebnisse teilen konnte und freue mich riesig darauf euch den Rest meiner Geschichten in Person zu erzählen.