“April, April, der macht was er will.”

Was in Deutschland das Wetter beschreibt, trifft diesen Monat auf mein Leben allgemein zu. Während ich die erste April-Woche gezwungenermaßen im Home-Office verbracht habe, war ich Ende des Monats schon wieder im Reservat…dachte ich, bis ich mich doch in Asunción wieder fand.

Aber beginnen wir von vorne. Auf meiner letzten Rückfahrt aus dem Reservat im März, schrieb mir meine Mitfreiwillige Olivia, dass das Büro geschlossen sei. Es stellte sich heraus, dass es einen Konflikt zwischen der Stadt Asunción und meinem Projekt über das Grundstück, auf dem die Büros von Guyra Paraguay stehen, gibt. Das Grundstück gehört grundsätzlich der Stadt, wird aber seit Jahren von meinem Projekt genutzt. Im Gegenzug dazu muss Guyra über mehrere Jahre einige Anforderungen zur Entwicklung des Geländes erfüllen, wie zum Beispiel die Aufforstung mit einheimischen Bäumen und Pflanzen oder eine öffentlich zugängliche Bibliothek. Mit dieser Vereinbarung scheint es nun Probleme zu geben, doch woran diese genau liegen, weiß ich nicht. Ich kenne verschiedene Versionen, denn das, was bei uns im Büro gesagt wird, deckt sich nicht mit dem, was in den Zeitungen steht.

Die Konsequenz war, dass alle Angestellten Guyra das Büro zwei Wochen lang nicht betreten durften. Vor ungefähr vier Wochen wurde eine Übergangslösung ausgehandelt, wodurch wir seitdem wieder normal arbeiten können. Vollständig geklärt ist die Situation noch nicht und es ist unklar, ob mein Projekt auf lange Sicht die Büros weiter nutzen kann.

In der Zeit, in der das Büro geschlossen war, habe ich mich mit Olivia verabredet und Asunción weiter erkundet. Wir haben in Cafés und Parks gearbeitet und ich habe es genossen, mir meinen langen Arbeitsweg zu sparen.

Parque de la Salud

Seitdem wir die Bibliothek beendet haben, arbeiten wir an “Guías de Fauna”, das heißt wir haben Büchlein über alle fotografierten Tierspezies in den Reservaten erstellt. Dazu mussten wir viele Datenbanken und Festplatten nach den bestgeeigneten Bildern durchstöbern, Informationen über die Arten heraussuchen und uns ein Design überlegen, in welches Bilder und Informationen eingefügt wurden. Wir bekamen viel Freiheit bei der Gestaltung und konnten dabei das Identifizieren von Arten, insbesondere der Vögel üben.

Im Dezember begannen wir mit dem Guía für den Pantanal, im Sommer arbeitete ich parallel noch am Guía von Cañada und in den letzten Wochen haben wir den letzten Guía für das Reservat im atlantischen Regenwald fertiggestellt. Unsere Arbeit muss natürlich noch geprüft und überarbeitet werden, aber der Grundentwurf von allen drei Büchlein ist fertig.

Vogelrecherche

Da Olivia und mir nur noch ein paar Monate in Paraguay bleiben, wollten wir die Wochen im Büro auch dafür nutzen, unsere nächsten Reservatsaufenthalte zu organisieren. Wie schon in meinem Halbzeit-Beitrag beschrieben, wünsche ich mir noch die anderen Reservate meines Projekts kennenzulernen, meist scheitert dies allerdings an der Planung oder äußeren Umständen, die meine Sicherheit vor Ort beeinträchtigen könnten. Während lange geplant war, dass ich in den Pantanal fahren sollte, wurde ich schlussendlich erneut nach Cañada geschickt, mit der Idee von dort nach zwei Wochen weiter in den Pantanal zu fahren.

Erstmalig nahm ich nicht abends den Bus nach Cañada, sondern fuhr tagsüber mit einem Kollegen und zwei Wissenschaftlerinnen im Auto. Ich bin zum ersten Mal über die mittlerweile eröffnete Brücke Heroes del Chaco gefahren und konnte die Ruta Transchaco im Tageslicht begutachten. Die Ruta Transchaco oder Ruta 9 sieht auf der Karte so aus als hätte man eine direkte Linie zwischen Asunción und Santa Cruz ziehen wollen. Sie beginnt in Asunción, verläuft entlang des Büros von Guyra, überquert den Río Paraguay, führt durch den feuchten und den trockenen Chaco, an den Mennonitenstädten vorbei, über Dörfer, die größtenteils aus Tankstelle und Comedor (Imbiss) bestehen.

Bis zu einem dieser Dörfer ‚La Patria‘ ist die Straße asphaltiert. Von dort aus kann man nach Westen auf eine andere asphaltierte Straße abbiegen, die zum Reservat und kurz danach zum Grenzübergang Infante Rivarola nach Bolivien führt. Die Ruta Transchaco geht nach La Patria weiter Richtung Nordwesten bis nach Bolivien, vorbei an einem weiteren Grundstück Guyras. Der Kollege, mit dem ich unterwegs war, wollte in der Nähe dieses Grundstückes eine Probe abholen und fuhr deshalb mit uns weiter auf der Sandpiste, die sich nach La Patria immer noch Ruta Transchaco nennt.

Es kam, wie es kommen musste und je dunkler es wurde, desto zerfahrener war der Weg und nach stundenlangem Gerumpel blieben wir schließlich im Schlamm stecken. Die Paraguayos, die solche Situationen schon geübt sind, fackelten nicht lange und befreiten das Auto wieder. Danach drehten wir um und fuhren weiter nach Cañada. Die Probe mussten wir zurücklassen, aber einigten uns darauf, dass sich der Umweg gelohnt hatte, um meine Paraguay-Erfahrung zu vervollständigen. Wenn ich mir vorstelle, das die Straßen im Chaco früher alle nicht asphaltiert waren, ergibt die Bezeichnung der „Grünen Hölle“ für den Chaco noch mehr Sinn für mich.

Nur gut eine Woche danach, habe ich mich wieder auf den Weg zurück nach Asunción gemacht. Da Sonntags keine Busse aus Santa Cruz losfahren, gab es an diesem Montag allerdings keinen Bus vom Reservat nach Asunción. Ich fuhr stattdessen mit einer von meinem Projekt organisierten Mitfahrgelegenheit bis nach Mariscal Estigarribia und nahm von dort den Bus Golondrina (Schwalbe) per Ruta Transchaco nach Asunción. Im Gegensatz zu dem internationalen Bus, den ich sonst nehme, hielt die Golondrina in der Frequenz eines Bummelzuges. Kurz vor dem Ziel war der Bus angeblich plötzlich kaputt und ich musste in einen anderen zum Teil gefüllten Bus wechseln. Trotz allem kam ich sicher in Asunción an.

Meine kurzfristige Rückkehr aus Cañada ermöglichte es mir, mit zwei Freunden jeweils in ihre Geburtstage hinein zu feiern. Auch wenn die ständige Spontanität es erschwert größere Pläne umzusetzen, gebe ich mir Mühe an den Wochenenden immer etwas zu unternehmen. In den letzten Wochen war ich mit Olivia und ihrer Gastfamilie in Loma Grande, mit meinen YfUlern in San Bernadino, abends alle zusammen auf Ferias, in Bars, Clubs oder beim Billard. Außerdem habe ich eine kleine Ausbildung zur Teamerin bei YfU-Tagungen abgeschlossen.

Währenddessen hat sich das Herbstwetter eingefunden. Es gibt weniger richtig heiße Tage, dafür mehr Regen, teilweise fühlt es sich sogar echt kalt an. An regnerischen Tagen ist der Verkehr in Asunción noch schlimmer als sonst. Man wartet zunächst im peitschenden Regen länger als sonst auf einen volleren Bus als sonst, verbringt dann Stunden im Stau und kommt schließlich im Dunkeln zähneklappernd zuhause an.

So erging es mir diesen Donnerstag, an dem ich über dreieinhalb Stunden von meiner Arbeit zu meiner Gastfamilie (Luftlinie 11,3 km) gebraucht habe. Das beeindruckendste an diesen Situationen finde ich, dass es keine Alternative zur Straße gibt, egal ob Bus, Uber oder privates Auto, alle müssen die selbe Straße entlang fahren und alle stecken im selben Stau fest. Es gibt keine U-Bahn, S-Bahn oder Straßenbahn auf die man ausweichen könnte.

Dadurch, dass Asunción selbst vor allem die Arbeitsplätze von den Menschen beherbergt, die in den angrenzenden Städten wie San Lorenzo, Fernando de la Mora oder bei mir in Lambaré wohnen, entstehen jeden Tag unter der Woche aber verstärkt an verregneten Tagen in der Rushhour dichter Berufsverkehr auf den Hauptstraßen Asuncións, an dem es keinen Weg vorbei gibt.

Ich glaube, ich habe so etwas ähnliches damals in England gesagt (rückblickend gar nicht so gerechtfertigt), aber eine der Sachen, auf die ich mich am meisten in Berlin freue, ist die BVG.

Außerdem habe ich damals Spätis sehr vermisst und auch wenn es hier natürlich keine Spätis gibt, bietet Asunción eine Alternative, die ich sehr lieb gewonnen habe. An vielen Ecken Asuncións stehen sogenannte Biggies. Biggies sind nicht ‘big’ sondern winzige Supermärkte, die rund um die Uhr offen haben. Auch wenn sie nicht das ‘Späti-Gefühl’ und die in Berlin obligatorischen Tische zum davor sitzen bieten, punkten sie bei mir dafür mit einem größeren Angebot und unlimitierten Öffnungszeiten. Ein Biggie ist meist nur ein paar Laufminuten entfernt und versorgt dich zu jeder Zeit mit Getränken und Snacks, aber auch Obst, Gemüse und fast allem anderen, was man in einem normalen Supermarkt finden würde, nur in geringerer Auswahl. Davon werde ich wahrscheinlich jeden Sonntag in Deutschland träumen.

Neben meinem Stamm-Biggie sieben Minuten die Straße runter, kenne ich den Biggie Express Palma im Zentrum ganz gut, der direkt neben einem Club lokalisiert ist. Tagsüber wirkt er wie jeder andere Biggie, doch nachts am Wochenende ist die Schlange vor dem Biggie oft genauso lange, wie die vom Club. Passend dazu gibt es einen Türsteher, der einen nur einzeln hinein lässt. Drinnen kann man sich Getränke zu besseren Preisen als im Club, und deutlich besseren Preisen als in Deutschland kaufen, vor dem Biggie trinken und wieder rein zum weitertanzen.

Zusätzlich kann man in jedem Biggie seine Busfahrkarte aufladen, was mir schon einige Male den Nachhauseweg ermöglicht hat. Sie sind überall, stets geöffnet, rundum verlässlich und erleichtern mir das Leben im spontan-chaotischen Paraguay. Deswegen widme ich ihnen dieses mal die ‘Ode an ein Ding’, wobei ich das Gefühl habe, dass meine Definition von ‘Ding’ immer unschärfer wird.

Diese Woche erfuhr ich dann die letzte Überraschung dieses Monats des Hin-und-Hers: Wenn dieser Blogbeitrag hochgeladen wird, bin ich nach monatelangen Versprechen endlich auf dem Weg in den Pantanal. Hierfür befahre ich zum dritten Mal in zwei Wochen die Ruta Transchaco. Aber dazu mehr beim nächsten Mal.

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